Hallo Frau Piel. An unserer Schule kennt Sie natürlich jeder. Aber Sie waren nicht immer Schulleiterin an der Diedrich-Uhlhorn-Realschule. Nehmen Sie uns mit durch Ihren Lebenslauf?
Hallo zusammen.
(Ist amüsiert) Das stimmt natürlich, auch eine Schulleiterin hat dieses Amt nicht in die Wiege gelegt bekommen.
Stellt euch vor, genau wie ihr heute bin ich damals Schülerin der Realschule gewesen. Damals hieß die Schule einfach „Realschule der Stadt Grevenbroich“, später, als eine 2. Realschule in Grevenbroich gegründet wurde, nannte man die Schule dann Realschule an der Bergheimer Straße, kurz RBS, die 2. Realschule erhielt den Namen Diedrich-Uhlhorn-Realschule. Dass ich im Verlauf meines beruflichen Lebens einmal Schulleiterin an beiden Schulen werden sollte, habe ich mir tatsächlich als Schülerin überhaupt nicht vorstellen können.
Nach dem Abschluss an der Realschule habe ich zunächst eine Bank-Ausbildung begonnen, habe jedoch schnell gemerkt, dass dieser Beruf mich nicht ausfüllen würde. Stattdessen wollte ich unbedingt mein Abitur machen, und dafür wechselte ich in die Oberstufe des Nelly-Sachs-Gymnasiums in Neuss. Meine Lieblingsfächer waren Deutsch und Politik, und so habe ich mich nach dem Abitur für die Fächer Germanistik und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln eingeschrieben. Nach der ursprünglichen Idee, Journalistin zu werden mit dem Schwerpunkt Politik, habe ich mich dann doch letztlich recht schnell für das Lehramt entschieden und habe dies in der Tat auch nie bereut.
Meine schulischen Stationen nach dem Examen waren zunächst zwei Gesamtschulen, bis ich dann an die Realschule Jüchen gewechselt bin, als diese neu gegründet wurde. Eine Schule mit aufzubauen war eine sehr spannende Aufgabe. Dabei habe ich festgestellt, dass es mir großen Spaß machte, Konzepte zu entwickeln und an der Schulentwicklung mitzuwirken. So war dann auch der Schritt nicht mehr weit, sich um eine Stelle in der Schulleitung zu bewerben. An der Realschule Bergheimer Straße war im Sommer 2002 die Stelle der stellvertretenden Schulleiterin ausgeschrieben und so kam es, dass ich an diese Schule zurückkehrte. Tatsächlich habe ich bei meiner Vorstellung vor dem Kollegium noch meine „alte“ Klassenlehrerin wiedergesehen, die allerdings zu diesem Zeitpunkt schon kurz vor ihrem Ruhestand stand. Nach acht Jahren Arbeit als Konrektorin bin ich dann 2010 zur Schulleiterin an der RBS ernannt worden. Als die Schule zu meinem ausgesprochen großen Bedauern zugunsten der 2. Gesamtschule auslaufend gestellt wurde, gab es die Fusion der beiden Realschulen unter dem Namen der Diedrich-Uhlhorn-Realschule. Hier war ich nun seit 2014 Schulleiterin, bis ich im Frühjahr das Amt an Herrn Rost abgegeben habe.
Im Kontext der Fusion hat mich ganz besonders gefreut, dass ein großer Teil der Lehrerinnen und Lehrer der RBS nach und nach an den Standort in Wevelinghoven gewechselt ist und beide Kollegien, die ursprünglich in einem Wettbewerb standen, zu einem neuen großartigen Kollegium zusammengewachsen sind.
Möchten Sie uns auch etwas zu Ihrem privaten Leben erzählen?
Na klar, Schule war natürlich nicht alles! Mindestens genauso wichtig war mir immer meine Familie. Zusammen mit meinem Mann und unseren drei Töchtern haben wir in Wevelinghoven gewohnt, wo mein Mann und ich auch heute noch leben. Unsere nunmehr erwachsenen Töchter hat es allerdings in die Welt verschlagen. Unsere älteste Tochter Julia lebt mit ihrer Familie bereits seit 2002 in Michigan, USA. Seitdem reisen wir jedes Jahr einmal in die USA, nicht zuletzt um unsere drei Enkelkinder Clara, Henry und Nora zu sehen. Unsere jüngste Tochter Laura lebt in München, eine meiner deutschen Lieblingsstädte. Nur unsere Tochter Jana ist Grevenbroich treu geblieben, sie lebt hier zu meiner großen Freude mit ihrem Mann und den beiden Töchtern Matilda und Paula.
Woran erinnern Sie sich gerne?
Da gibt es so vieles, an das ich mich sehr gerne erinnere. Der absolute Höhepunkt aber war wohl das 50. Jubiläum der RBS. Was wir als Schulgemeinschaft da auf die Beine gestellt haben, ist im Rückblick einfach unglaublich: Wir haben damals einen Zirkus engagiert und während einer kompletten Projektwoche mit der gesamten Schülerschaft (damals 650 Schülerinnen und Schüler) die Vorstellungen vorbereitet, die dann am Freitag und am Samstag liefen. Dazu kam noch das große Ehemaligentreffen, welches komplett ohne fremde Hilfe, also nur mit dem gemeinsamen Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern, engagierten Eltern und unseren Schülerinnen und Schülern gestemmt wurde. Es war höllisch viel Arbeit, die Vorbereitung hat etliche Monate gekostet, aber es hat sich so dermaßen gelohnt: Die Schülerinnen und Schüler sind über sich hinausgewachsen, das Engagement von allen Erwachsenen, ob Eltern oder Lehrerschaft, war gigantisch, einfach unübertroffen. Es war ein Gemeinschaftserlebnis, welches ich mir vorher nicht erträumt hatte und welches alle Beteiligten so richtig zusammengeschweißt hat.**
Was war Ihnen wichtig?
Auch da gibt es viele Punkte, die ich nennen könnte. Bei genauer Überlegung aber ist es stets der soziale, der menschliche Aspekt, die Beziehung, die mir wichtig war. Damit meine ich nicht „Harmonie um jeden Preis“. Denn leider gab es in meinem Schulleiterinnen-Leben häufig genug schwierige Situationen, die zu bewältigen waren und schwierige Entscheidungen, die getroffen werden mussten. Hier galt es für mich immer, im Sinne des Großen und Ganzen zu handeln und trotzdem die persönliche Ebene der betroffenen Menschen, egal ob Schülerin oder Schüler, ob Lehrerin oder Lehrer oder auch Eltern zu respektieren. Ob dies immer so gelungen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, können am besten andere beurteilen.
Wenn ich noch etwas herausstellen möchte, dann ist es der Aspekt der politischen Bildung im weitesten Sinne. Junge Menschen auf ihrem Weg ins verantwortungsvolle Erwachsenen-Leben zu begleiten, war und ist bis heute für mich eine großartige und erfüllende Aufgabe, zuweilen aber auch eine sehr anspruchsvolle. Wir alle haben das große Glück, in einer freiheitlichen und sehr vielfältigen Gesellschaft zu leben. Ich möchte, dass auch künftige Generationen dies erleben dürfen. In einer Welt, in der Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte von despotischen Machthabern so oft mit Füßen getreten werden, ist es umso wichtiger, junge Menschen zu wachen, kritischen und verantwortungsvollen Persönlichkeiten zu erziehen. Dies sind wir nicht zuletzt auch unserer Geschichte schuldig. Geschichte und Politik für unsere Schülerinnen und Schüler erlebbar zu machen, war mir während meiner gesamten Amtszeit daher ein großes Anliegen. Die im Fahrtenprogramm unserer Schule installierten Informationsfahrten nach Berlin, Buchenwald und Auschwitz sind dafür beste Beispiele.
Mit welchem Gefühl verabschieden Sie sich aus dem Schulleben und wie geht es weiter?
Meine Gefühle sind durchaus zwiespältig. Einerseits werde ich die Menschen vermissen, mit denen ich in den vielen Jahren eng zusammengearbeitet habe: mein Schulleitungsteam mit Herrn Hohmeier und Herrn Rost, Frau Klefisch und meine Hausmeister Herrn Wego und zuletzt Herrn Klasen, mein großartiges Kollegium und nicht zuletzt meine Schülerinnen und Schüler und deren Eltern.
In den letzten Monaten hatte ich schon die Gelegenheit, mich an ein Leben ohne Schulleitungs-Verantwortung zu gewöhnen. Verantwortung zu tragen ist sehr schön, denn man hat sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten. Allerdings bedeutet Verantwortung auch, dass man eine gewisse Last zu tragen hat. Diese Last nun nicht mehr tragen zu müssen, ist ein gutes Gefühl.
Ich freue mich darauf, nun endlich zeitlich ungebunden reisen zu können. Was ich dann außerdem mit meiner üppigen Zeit anfangen werde?
(Lacht) Da fällt mir ganz sicher sehr viel ein!
Ich sag dann mal „Tschüss“ mit einem lachenden und einem weinenden Auge und wünsche der gesamten Schulgemeinde eine gute Zeit.
Macht`s gut alle miteinander!