Anna Janowska überlebte als 9-jähriges, jüdisches Mädchen den Holocaust und erzählt Schülerinnen und Schülern der Diedrich-Uhlhorn-Realschule von ihrer bewegenden Kindheit.
Es ist außergewöhnlich ruhig in den vier Abschlussklassen der Realschule als sich vor ihnen Anna Janowska per Videoschaltung pünktlich um 10 Uhr auf den Leinwänden aus Krakau meldet. Sachlich und mit Hilfe zahlreicher Originalfotos, die während ihrer Geschichte einblendet werden, beginnt sie zu erzählen und nimmt die Schülerinnen und Schüler mit in dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Sie erzählt vom Vater, der als Zahnarzt direkt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Polnischen Armee eingezogen wurde in in sowjetischer Gefangenschaft starb. Sie zeichnet die zahlreichen Wohnungswechsel innerhalb des Ortes Rabka, 50 Kilometer südlich von Krakau nach und schließlich den Umzug ins Ghetto Rabka.
Eigentlich stünden jetzt nur noch die letzten Vorbereitungen auf die Zeugnisverleihungen in der kommenden Woche für die 10.-Klässler an. Die wichtigen Zentralen Prüfungen sind alle schon vor zwei Wochen absolviert worden. Und dennoch sitzen sie jetzt hier, teilweise in ihren Abschlusspullovern und sind sichtlich berührt, als Janowska erzählt wie ihre beiden Großmütter von der Mutter in einen Wald begleitet wurden und sich dort von ihnen verabschieden musste. Beide wurden nach einer Nacht in der Kälte am nächsten morgen von SS-Truppen erschossen. Janowska selbst entging gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und der Mutter der Ermordung in einem Vernichtungslager, weil sie der polnische Grundschuldirektor Marian Sikorski in seinem Haus bis zum Kriegsende versteckte.
Keines ihrer Worte verfehlt seine Wirkung an diesem Vormittag. Jankowska, die simultan von einer vereidigten Dolmetscherin aus dem Polnischen live übersetzt wird, lässt immer wieder Raum für Fragen, den die Schüler und auch die Lehrkräfte nutzen. Bereitwillig antwortet die 85-Jährige auf alles: „Sind Sie Hitler mal begegnet?“ „Wieso sind Sie in Polen geblieben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs?“ „Was fühlen Sie heute?“
„Ich bin froh und dankbar,“, beendet Jankowska das Gespräch, „dass junge Leute wie ihr so aufmerksam und interessiert die Geschichten von uns letzten Zeitzeugen verfolgt.“
„Wir haben Ihnen zu danken“, betont Schulleiter Manfred Rost. „Sie geben uns mit dem Zeugnis Ihrer Biografie die Gelegenheit, dass unsere Schülerinnen und Schüler in der direkten Begegnung mit Ihnen Geschichte erfahren können.“
Leonardo aus der 10C spricht aus, was viele denken als das Bild auf der Leinwand dunkel wird: „Den Nationalsozialismus im Unterricht zu behandeln ist eine Sache, aber mit jemandem sprechen zu können, der das alles quasi live miterleben musste, ist etwas ganz anderes.“